Wenn es nach zwei Verbänden der mittelständischen Wirtschaft geht, dann haben es die deutschen Arbeitnehmer viel zu gut. Gestern sahen sie die Zeit gekommen, die Beschäftigten aus ihrer sozialen Hängematte zu schubsen: Zwei ihrer Verbandsvertreter sind mit der Idee nach vorne geprescht, den Urlaubsanspruch zu reduzieren – und zwar drastisch. Sechs Wochen seien zuviel, vier Wochen reichten völlig aus, sagte die Chefin des Unternehmerverbands mittelständische Wirtschaft (UMW), Ursula Frerichs. Auch der Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW) ist für eine zeitweise Absenkung – auf fünf Wochen. Das sei auch wegen des akuten Fachkräftemangels erforderlich, argumentiert BVMW-Präsident Mario Ohoven.
Wenig hilfreich ist es auch, wenn man dieselbe Maßnahme mit zwei sehr widersprüchlichen Begründungen verlangt. Ein Musterbeispiel dafür ist BVMW-Präsident Mario Ohoven. „Bild“ sagte er: „Der Mittelstand hat jetzt wieder volle Auftragsbücher, da wird jeder gebraucht.“ Vor einem Jahr hatte Ohoven die Arbeitnehmer ebenfalls aufgefordert, auf Urlaub zu verzichten – damals der Krise wegen. Da fragt man sich, unter welchen Bedingungen ein Arbeitnehmer dann mehr Urlaub verlangen kann.
Über einen Monat lang frei pro Jahr.
Unbestreitbar ist allerdings, dass Deutschland in Sachen Freizeit ein Arbeitnehmerparadies ist – im Durchschnitt. Gemittelt hat ein abhängig Beschäftigter hier 40,5 Tage frei. Nur die Schweden haben mehr. Die Polen, am Ende der europäischen Urlaubskette, müssen mit insgesamt 30 Tagen auskommen.
Allerdings steckt der Teufel im Detail: Die Summe setzt sich aus Urlaub und Feiertagen zusammen. Und schon allein die Zahl der Feiertage unterscheidet sich drastisch. In Bayern sind es 13 Tage, in Berlin, Hamburg und Bremen nur neun. Der Zusammenhang einer größeren Zahl an Arbeitstagen mit dem wirtschaftlichen Erfolg lässt sich allerdings auch daran nicht ablesen. Sonst müsste Berlin in Deutschland ganz vorne sein.